Sprachtrends –
Texte, die rocken
So wie es bei der Kleidung, in der Musik oder in der Typografie immer wieder neue Trends und Stile gibt, gibt es auch in der Sprache Modeerscheinungen. Wörter oder Satzkonstruktionen haben Konjunktur – oder eben nicht.
«Ich rocke deine Welt»
Kurze Sätze, viele Punkte. Das rockt. Dass dieser Schreibstil rockt, war nicht immer so. Und dass (ausser Rockmusik) überhaupt irgendetwas «rockt» in der deutschen Sprache, ist ebenfalls eine relativ neue Entwicklung. Erst seit Mitte der 90er-Jahre wurden Formulierungen wie «es rockt» oder «wir rocken das» populär. Eine Initiative für Solarenergie, die mit dem Satz «Die Sonne rockt» wirbt, ein Radiosender mit dem Slogan «So rockt das Leben»: Wir haben uns an solche Formulierungen gewöhnt. Doch so richtig rocken tut «rocken» inzwischen nicht mehr: Seit ca. 2010 befindet sich die Formulierung wieder auf dem absteigenden Ast.
Genauso wie Batikröcke oder Airwalk-Schuhe irgendwann aus der Mode kamen, verglühten auch manche sprachlichen Formen und klingen inzwischen vorgestrig. Oder wer bezeichnet heute noch jemanden als «Warmduscher», wie das Ende der 90er-Jahre mal lustig und hip war? Auch Ausdrücke wie «Übersee», «Dancing» oder «das fetzt» – sozusagen der Vorläufer von «das rockt» – sind inzwischen weitgehend aus unserem alltäglichen Sprachgebrauch verschwunden. Sie können dafür nun gezielt eingesetzt werden, um etwas «es bitzli retro» erscheinen zu lassen. (Der Einbau von einzelnen schweizerdeutschen Wörtern in standarddeutschen Text ist übrigens auch ein aktueller Sprachtrend.)
Trends nicht vorhersehbar
Sprachtrends werden anders als zum Beispiel Mode- oder Farbtrends nicht beim Bummel durch Läden sichtbar und werden kaum in Zeitschriften oder Pressemeldungen verhandelt. Es gibt kein Äquivalent zu den Modeschauen der bekanntesten Designer oder zur «Pantone Color of the Year», an der sich beispielsweise Produktdesigner weltweit orientieren. Die sprachlichen Trends entwickeln sich ausserdem im deutschen Sprachraum anders als im englisch- oder französischsprachigen Gebiet. Und vieles entsteht einfach zufällig. Mit einem heissen Tipp, was der neueste Sprachtrend für 2023 sein wird, kann ich darum nicht dienen.
So war zum Beispiel nicht absehbar, wie stark die öffentliche Formulierung «Ich bin schwul und das ist auch gut so» des ehemaligen Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit von 2001 ein Sprachmuster werden würde, das immer noch nachwirkt. Gerade kürzlich sind mir im Buchladen gleich zwei Bücher aufgefallen, die daran anschliessen – eines mit dem Titel «Ich bin alt und das ist gut so», das andere mit dem Slogan «Ich kann viel und das ist gut so». Neben Aussagen von Politikerinnen und Politikern, die sprachprägend sein können (man denke zum Beispiel an Bundesrat Ogis Ausruf «Freude herrscht!»), beeinflussen auch alle anderen Formen des öffentlichen Sprechens den Sprachgebrauch: Werbeslogans, lustige Versprecher bei Fernsehinterviews, Comedy, Literatur und Poesie, Sprachstil von überregionalen Zeitungen, Hashtags. Wer aufmerksam viele verschiedene Medien liest und hört, wird neue Formulierungen und Sprachtrends bemerken.
Den eigenen Stil finden
Kurze oder wadenlange Röcke, verspielte Volants oder Fischgrätmuster, Hellblau oder Neongrün: Eigentlich ist ja jedes Jahr alles möglich, trotz Trendansagen. Genauso ist auch bei Wörtern, Satzbau und Metaphern alles offen. Sprache ist spielerisch und wir können selbstverständlich schreiben bzw. sprechen, wie es uns gefällt. Zumindest solange die Sprache korrekt ist.
Doch halte ich es gerade für einen Auftritt als Organisation oder Unternehmen für lohnend, sich über Sprachstile, trendiges Vokabular oder plötzlich verbreitete Formulierungen Gedanken zu machen. Eine zu verstaubte Sprache ist genauso wie eine veraltete Website oder altmodische Kleidung kein attraktives Signal nach aussen. Damit meine ich aber nicht, auf jeden neuesten Formulierungstrend und jeden Marketing-Anglizismus aufzuspringen.
Es kann verwirrend sein, wenn Texte des gleichen Absenders in sehr unterschiedlichem Stil daherkommen. Genauso wie es seltsam wäre, wenn wir ständig unseren Kleiderstil wechseln und an einem Tag in neonfarbener Partykleidung ins Büro kommen und am nächsten Tag im klassischen Deuxpièces mit Perlenohrringen auftauchen. Besser wäre, einen durchgehenden Stil zu finden.
Legen Sie darum in groben Zügen fest, welche Sprache den Charakter Ihrer Firma oder Institution unterstreicht und welche nicht. Halten Sie Augen und Ohren eine Zeit lang bewusst offen für Formulierungen und Sprachstile. Sammeln Sie Inspirationen und positive Beispiele. Dann rocken Sie das bestimmt!
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