Warum Sie sich das Komma
zum Freund machen sollten
Viele bringen sie an den Rand der Verzweiflung – für die Sprache sind sie sinnvolle Strukturierungshilfen und verdeutlichen Sinnzusammenhänge: die Satzzeichen. Welches Zeichen Sie geduldiger macht, wie Kommas Leben retten und warum Ausrufezeichen anmassend sind – Sie erfahren es auf einer kurzen Reise durch die Interpunktion der deutschen Sprache.
Punkt – der Unbestrittene
Wir beginnen unseren Trip mit der sichersten Destination: dem Punkt. Er ist erster Berührungspunkt mit der Zeichensetzung in unserer Schulkarriere. Schon die Erstklässler lernen, dass der Punkt einen Satz abschliesst und danach gross weitergefahren wird. Eine klare formale, aber auch inhaltliche Aussage. Der Punkt schliesst nämlich nicht nur die Formulierung ab, sondern auch den Gedankengang, die Aussage. Und weil ich nach jedem Punkt inhaltlich etwas Neues anfange, markiere ich das auch formal. Ich schreibe das erste Wort gross.
So eindeutig sich der Charakter des Punktes zeigt, für drei Fälle, die wir in unserem Korrektoren-Alltag hin und wieder antreffen, lohnen sich kleine Exkurse:
- Punkt und Klammer: Bei Sätzen in Klammern wird der Schlusspunkt unmittelbar vor der schliessenden Klammer gesetzt. (Das ist zum Beispiel hier der Fall.) Handelt es sich beim Klammerinhalt nicht um einen ganzen Satz, folgt der Punkt erst nach der schliessenden Klammer (wie in diesem Fall).
- Punkt und Abkürzung: Punkte werden auch verwendet, um Abkürzungen anzuzeigen. Sie verhalten sich in diesem Fall aber nicht mathematisch. Heisst: Endet ein Satz mit einer Abkürzung (häufig usw.), werden die Punkte nicht summiert. Abkürzungspunkt und Schlusspunkt verschmelzen.
- Punkt und Anführungs-/Schlusszeichen: «Steht ein ganzer Satz in direkter Rede, gehört der Schlusspunkt ins direkte Zitat.» Wird nur ein Teilsatz zitiert, «schliesst das Zitat vor dem Schlusspunkt».
Komma – das Vielgeschmähte
Bewegen wir uns beim Punkt in ruhigen Gewässern, ändert das Klima beim Komma um 180 Grad. Es ist das umstrittenste aller Satzzeichen der deutschen Sprache. Warum das so ist?
Weil …
- rein quantitativ das Fehlerpotenzial hoch ist, da Kommas das am häufigsten vorkommende Satzzeichen sind;
- vielen Menschen bei den Kommaregeln der Durchblick fehlt (was nicht verwundert – bei dem Regelwerk);
- nach der Rechtschreibreform für (zu) viele Fälle die Kommasetzung freigestellt wurde, was mehr Verwirrung stiftete als Klarheit brachte;
- das Komma auf sehr vielen Hochzeiten tanzt: unter anderem trennt es Hauptsätze von Haupt- oder Nebensätzen, es steht in Aufzählungen und bei Hervorhebungen, es grenzt Zusätze ab, es steht bei Partizip- oder Infinitivgruppen.
Viele erwachsene Menschen bekommen es mit der Kommasetzung nicht mehr auf die Reihe. Sie haben resigniert oder finden die Zeit nicht, sich intensiver mit den Vorgaben zu befassen. Allen, die sich jetzt angesprochen fühlen, gebe ich eine Daumenregel mit auf den Weg, die für die meisten Fälle etwas Sicherheit bietet:
Die Kommasetzung lehnt sich an die Sprechpausen beim Reden an. Setzen Sie also da ein Komma, wo Sie im natürlichen Sprachfluss eine Pause einlegen.
Diese Daumenregel ist übrigens auch mein Gradmesser in Fällen, in denen der Duden die Kommasetzung freistellt. So setze ich in verbundenen Hauptsätzen mehrheitlich kein Komma vor das «und» («er liest die Kommaregeln und sie wendet das Regelwerk an»), wähle aber in Formulierungen mit Partizip oder «zu»-Infinitiv meist die Version mit Komma («von der Lehrerin animiert, setzte sie sich mit den Kommaregeln auseinander»; «er hatte vergessen, ein Komma zu setzen»). Häufige Fehlerquelle ist das verbotene Komma nach einer Wortgruppe, die mit einer Präposition (z.B. «trotz», «infolge», «aufgrund») eingeleitet wird: «Trotz eines unerklärbaren Drangs setze ich hier kein Komma.»
Generell lege ich Ihnen ans Herz: Betrachten Sie das Komma nicht als Schikane, sondern als sinnvolle Unterstützung, die Ihnen hilft, Sätze und Texte besser zu strukturieren. Machen Sie sich das Komma zum Freund, denn es kann mitunter über Leben oder Tod entscheiden:
«Begnadigen, nicht hängen will ich ihn.»
«Begnadigen nicht, hängen will ich ihn.»
Und wenn Sie zu den Unerschütterlichen gehören – hier können Sie die Kommaregeln nachlesen: https://www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/komma.
Strichpunkt – der Vergessene
Würden wir in Sachen Satzzeichen Artenschutz betreiben, stünde der Strichpunkt (auch Semikolon genannt) auf der roten Liste. Ihm wird nachgesagt, nur noch in der gehobenen Sprache berücksichtigt zu werden. Sein Verhängnis: Er ist ein Konstrukt zwischen Komma und Punkt, nicht eigenständig definiert. Strichpunkte bewirken eine kürzere Pause als der Punkt, aber eine längere als das Komma. Verwendet wird er, um gleichrangige Sätze oder Wortgruppen abzugrenzen. Gerade für Aufzählungen beispielsweise in Bildlegenden kann das sehr sinnvoll sein: «Konrad Duden, Philologe; Bettina von Arnim, Schriftstellerin; Wilhelm Busch, Dichter».
Doppelpunkt – der Ankündiger
Obwohl ein doppelter Punkt gesetzt wird: Nach einem Doppelpunkt ist niemals fertig. Doppelpunkte haben die Funktion, auf etwas hinzuführen, etwas anzukündigen: zum Beispiel eine Aufzählung, eine direkte Rede, eine Präzisierung, eine Ergänzung oder eine Zusammenfassung von vorher Gesagtem.
Grösste Unklarheit beim Doppelpunkt ist nicht die Frage, wann er gesetzt werden soll, sondern ob nachher gross- oder kleingeschrieben wird. Darauf gibt es eine leicht zu merkende Antwort: Selbständige Sätze beginnen nach dem Doppelpunkt gross, Teilsätze klein. Wer die Nuancen mag, merkt sich zusätzlich: Wenn der nachfolgende Satz vom Sinn her auch mit einem Komma, Strichpunkt oder Gedankenstrich abgegrenzt werden könnte, ist Kleinschreibung zulässig – auch bei einem Hauptsatz.
Gedankenstrich – der Geduldige
Er ist nichts für eilige Leserinnen und Leser – der Gedankenstrich. Nicht umsonst nennt man ihn so. Er animiert dazu, kurz innezuhalten und die Gedanken zu ordnen. Gedankenstriche zeigen darum längere Pausen an, sie bewirken einen gewollten Satzunterbruch. Sie dienen dem Spannungsaufbau, wenn das nachher Folgende verblüffen oder ein Rätsel auflösen soll: «Morgen werde ich – Kommaregeln büffeln.» «Wir sind ganz verzweifelt – schon wieder ein Spezialfall für die Kommasetzung.» Ich kann einem Gedankenstrich aber (wie dem Doppelpunkt) einfach eine Zusatzinformation, eine Ergänzung oder eine Präzisierung hinterherschieben: «Der Duden ist mein ständiger Begleiter – damit ich nie mehr ein Komma falsch setze.»
Gedankenstriche können – in doppelter Ausführung – auch für eingeschobene Teilsätze oder Wortgruppen verwendet werden. Ich könnte hier alternativ auch Kommas setzen. Wähle ich die Gedankenstriche, bewirke ich eine längere Pause und gebe dadurch dem Eingeschobenen mehr Gewicht. Typografisch ist der Gedankenstrich als Halbgeviertstrich (–) definiert. Er sollte also nicht mit dem kurzen Bindestrich (-) verwechselt werden.
Fragezeichen – das Neugierige
Das Fragezeichen «kennzeichnet einen Satz als Frage», lesen wir im Duden. Das leuchtet ein. Wo ist das Aber? Auch wenn dieses Satzzeichen weniger Kopfzerbrechen bereitet, die Sache mit den indirekten Fragesätzen wollen wir hier klären. Werden Fragen indirekt gestellt («sie erkundigt sich, ob ich die Kommaregeln beherrsche»), werden sie nicht mit einem Fragezeichen abgeschlossen. Ausnahmen gibt es keine.
Ein anderes Feld ist die Diskussion nach der Sinnhaftigkeit, in Texten Fragen zu stellen. Sind es rhetorische Fragen (auf die keine Antwort erwartet werden), muss man sich ihrer beeinflussenden, oft sogar manipulierenden Wirkung bewusst sein. Selbstverständlich sind Fragestellungen in Texten nicht verboten. Denken Sie aber daran, dass gestellte Fragen in der Regel beantwortet werden wollen.
Ausrufezeichen – das Anmassende
Das Ausrufezeichen steht nach Befehlen, Ausrufen, Verbotsäusserungen, Wünschen, nachdrücklichen Behauptungen – aber bitte nur da! Es zeigt an: Jetzt wirds laut. Gerade darum empfehle ich Ihnen, dieses Satzzeichen sparsam und nur gezielt einzusetzen. Doppelte oder mehrfache Setzungen («Lern endlich die Kommaregeln!!!») sind für mich ein No-Go. Versetzen Sie sich in eine mündliche Kommunikationssituation. Wenn Sie bereit sind, Ihr Gegenüber in voller Lautstärke anzusprechen, ist das Setzen eines Ausrufezeichens gerechtfertigt. In den meisten Fällen werden wir unsere Leserschaft jedoch nicht anschreien wollen. Das Setzen des Ausrufezeichens ist darum auch eine Frage des Respekts gegenüber den Leserinnen und Lesern.
Und Sie?
Wie halten Sie es mit den Satzzeichen, von welchen Erfahrungen können Sie berichten? Wo drückt Sie der Schuh und welche Tricks und Eselsbrücken haben Sie auf Lager? Lassen Sie es uns und die Blog-Community wissen; sei es auch nur, damit Sie beruhigt feststellen: Ich bin nicht allein in meiner Not – und die von Brunner kennen die eine oder andere Regel …
2 Kommentare
Vielen Dank für diesen herzerfrischenden Bericht. Wenn Sie jetzt noch etwas über die über die Orthographie bringen, wäre das perfekt. Ich staune jeden Tag darüber, dass Adjektive sehr häufig gross geschrieben werden.
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Besten Dank für diesen ausgezeichneten Beitrag. In der Tat geht das korrekte Setzen von Satzzeichen immer mehr verloren. Ihr Beitrag ist bestens geeignet als Hilfe für "Satzzeichenunkundige".