Wie es Ihnen gelingt, Texte verständlich zu schreiben
Für viele Menschen – auch geübtere Schreiber – ist es immer wieder eine Herausforderung, einfache und leicht verständliche Texte zu verfassen. Wir sind unzufrieden mit unserem Produkt, weil es viel zu lang, zu kompliziert oder gar missverständlich geworden ist. In solchen Fällen kann es gut sein, den Voraussetzungen für eine gute Textqualität auf den Grund zu gehen. Und zu merken: Verständlich schreiben kann man lernen.
Komplizierte Texte sind immer schlechte Texte. Zugegeben eine plakative Aussage, die aber den Nagel auf den Kopf trifft. Als Schreibende sollten wir den unbändigen Anspruch haben, dass Leserinnen und Leser unsere Texte verstehen – und zwar auf Anhieb, im ersten Lesedurchgang. Manche Autoren müssen sich diesbezüglich an der Nase nehmen. Weil sie meinen, kompliziert konstruierte Texte stünden für Wissenschaftlichkeit. Oder seien Abbild einer hohen Schreibkompetenz. In meiner Tätigkeit als Kommunikationsdozent für angehende Ingenieure versuche ich die Studierenden vom Gegenteil zu überzeugen: Ein Meister des Fachs ist, wer es schafft, komplizierte Sachverhalte in einer einfachen, verständlichen Sprache zu vermitteln. Ein nützliches Werkzeug dazu ist das Hamburger Verständlichkeitskonzept.
Vier Kriterien für eine verständlichere Sprache
Das Hamburger Verständlichkeitskonzept wurde vor mehr als 40 Jahren von Psychologen entwickelt, die in den Bereichen Textverständlichkeit und Lesbarkeit forschten. Es definiert vier Kriterien, die für die Verständlichkeit von Texten massgebend sind: «Einfachheit», «Gliederung/Ordnung», «Kürze/Prägnanz» und «Anregende Zusätze».
Raffiniert an diesem Modell ist, dass es an den zwei wichtigsten Kennzeichen einer hochwertigen Sprache ansetzt: an der Textverständlichkeit und am Sprachstil. Schreibende werden darin unterstützt, Texte verständlicher zu formulieren (Textverständnis) und Texte lesbarer zu machen (Stilistik).
Skalierung und Anwendung
Eine weitere Eigenart des Modells ist die Anwendung der Kriterien. Es propagiert nicht einfach, dass Texte dann perfekt verständlich sind, wenn alle vier Kriterien maximal eingehalten werden. Das wäre auch gar nicht möglich, weil sich zum Beispiel die Kriterien «Kürze/Prägnanz» und «Anregende Zusätze» gegenseitig in die Quere kommen. Um die Relevanz der einzelnen Kriterien für die Textqualität zu definieren, greift das Hamburger Verständlichkeitskonzept auf eine Skala mit fünf Wertungspunkten zurück.
Wir werden nun sehen, in welcher Ausprägung die Kriterien einzuhalten sind, damit Texte zu guten Texten werden.
Kriterium der Einfachheit
Hier ist das Modell kompromisslos. Das Kriterium der Einfachheit ist für die Verständlichkeit von Texten maximal anzuwenden. Verschachtelte Satzgebilde, ungeläufiges Vokabular, nicht erklärte Fremdwörter, ein schwulstiger Sprachstil oder abstrakte Sätze mit vielen Substantiven statt Verben verstossen dagegen.
Kriterium der Gliederung/Ordnung
Auch da lässt das Verständlichkeitskonzept keinen Spielraum. Texte sollen geordnet, folgerichtig und übersichtlich sein. Der rote Faden muss sichtbar sein, Wesentliches soll von weniger Wichtigem unterschieden werden können. Das Kriterium mahnt den Blick über den Tellerrand an: Die Qualität eines Textes hängt eben nicht nur von der Wortwahl und den Formulierungen, sondern auch von der Struktur ab.
Kriterium der Kürze/Prägnanz
Extrem knappe und verdichtete Texte erschweren das Verständnis ebenso wie weitschweifige Texte. Das Optimum liegt darum in der Mitte oder fällt leicht zugunsten der Prägnanz aus. Zu kurze Texte bergen die Gefahr, dass der Leser das Geschriebene falsch oder gar nicht versteht, weil der Interpretationsspielraum schlichtweg zu gross ist. Zu lange Sätze wiederum strapazieren die Nerven und verderben die Lust am Lesen.
Kriterium der anregenden Zusätze
Mit anregenden Zusätzen sind Metaphern, Vergleiche, Beispiele, Beschreibungen und dergleichen gemeint. Das Optimum hängt hier von der Textsorte ab. Auf der Sprachebene verlangen wissenschaftliche Texte weniger anregende Zusätze, literarische Texte mehr. Anders sieht es aus, wenn wir – durchaus berechtigt – auch Visualisierungen und Tabellen zu den anregenden Zusätzen rechnen. Grundsätzlich ist zu sagen, dass zu viele anregende Zusätze nicht mit der Kürze und Prägnanz zu vereinbaren sind. Texte ohne anregende Zusätze wiederum sind oft zu dicht.
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