13. November 2019 – UX-Design & Interactive | Trends

Die Schrift und ihre Sprache

 

Wir werden von Informationen überflutet. Geschriebenes aber verliert an Stellenwert, Bildstrecken und Videos laufen ihm den Rang ab. Wie können Texte so noch genügend Aufmerksamkeit erhalten? Ein guter Text allein hats nicht leicht, wenn er in einer 12-Punkt-Arial daherkommt. Eine schöne Schrift schmückt ihn mit ihrer eigenen Formensprache und macht seinen Inhalt zusammen mit der Sprache lebendig.

 

 

«Architektur ordnet Räume und Bewegungsabläufe. Typographie ist eine Art zweidimensionaler Architektur. Sie ordnet Flächen, Texte, Bilder und Leseabläufe.»

(Otl Aicher, www.archplus.net)

Ordnung, Leseablauf? Davon ist in diesem Beispiel einer Website nicht viel zu erkennen. Es wurde Anfang Jahr unter dem Thema «Visuelle Trends» in der Fachzeitschrift PAGE publiziert. Das Beispiel steht für den Trend «Brutal Design – die Macht des Hässlichen». Es geht hier um die Botschaft: Gegen Konventionen ankämpfen, um sich gegen das Beliebige, Austauschbare zu behaupten.

Das hat ja seine Berechtigung, finde ich. Doch für ein Corporate Design, ein Buch oder ein Magazin lassen wir uns eher nicht von diesem Trend leiten, oder?

Der grosse Entscheid – die Wahl der Schrift

Sobald Sie an einem Relaunch einer Zeitschrift, der Gestaltung eines Buches oder einem Corporate Design arbeiten, stellt sich die Frage nach der geeigneten Schrift. Die Schrift ist zusammen mit dem Logo, den Farben und der Bildsprache ein wesentlicher Bestandteil eines Corporate Designs. 

Schrift als Ausdrucksmittel

Jede Schrift hat einen eigenen Charakter. Sie kann technisch, streng, seriös, weich, elegant, dramatisch, laut oder leise anmuten und unterstreicht damit den Inhalt eines Textes. Schrift lässt sich in Headlines spielerisch einsetzen und wird so zum grafischen Element. Bei Fliesstexten gilt nach wie vor die gute Lesbarkeit als oberstes Kriterium. Die Information muss problemlos erfassbar sein, die Form der Schrift wird hier weniger bewusst wahrgenommen.

Welche Schrift passt?

Bei der Wahl der Schrift ist schnell zu den grossen Klassikern gegriffen – Helvetica, Univers, Akzidenz Grotesk … Ja, sie sind unbestritten, immer noch zeitlos, immer noch unermüdliche Arbeitstiere in unendlich vielen Druckprodukten auf der ganzen Welt. Gern gesehen, nie falsch. Höchstens etwas langweilig, weil schon so oft gesehen – aber darüber scheiden sich die Geister.

Es gibt in den letzten Jahren ein immer grösseres Angebot von qualitativ hochwertigen, schönen Schriften. Nutzen wir dieses doch! Viele gute Schriften sind kostenlos erhältlich, zum Beispiel bei Adobe Fonts, oft aber mit einer reduzierter Anzahl von Schriftschnitten.

Was hinter der Schriftgestaltung steckt

Wenn Sie eine wirklich besondere Schrift möchten, gibt es tolle Type Foundries («Schriftgiessereien»), auch aus der Schweiz, deren Schriften für namhafte Brands in der ganzen Welt eingesetzt werden. Inspirieren lassen können Sie sich auf den Webseiten folgender Type Foundries: Grillitype (aus Luzern, www.grillitype.com), Dalton Maag (www.daltonmaag.com) und Swiss Typefaces (www.swisstypefaces.com).

Trotz Digitalisierung und guter Programme ist das Entwerfen einer Schrift ein kreativer, teilweise immer noch handwerklicher Prozess. Beim Zeichnen der Buchstaben gelten optische Gesetze, die berücksichtigt werden müssen. Feine Anpassungen in Diagonalen, Horizontalen, Rundungen, Abständen und Weissräumen sind nötig. Später Überprüfungsrunden auf Korrekturausdrucken.

Die modernisierte Klassische: Aktiv Grotesk

Eine Alternative zur allgegenwärtigen Helvetica ist die von Dalton Maag entwickelte «Aktiv Grotesk». Sie wurde zwischen 2010 und 2018 entworfen und ständig weiterentwickelt. Sie unterstützt über 130 Sprachen und enthält 48 Schriftschnitte, von Condensed Hairline bis Black italic (Quelle: www.daltonmaag.com). Adobe-CC-Abonnenten können die Schrift in den Adobe Fonts aktivieren.

Zugegeben, man braucht schon ein recht geschultes Auge, um sie von der Helvetica unterscheiden zu können. Erkennen Sie im folgenden Beispiel die Unterschiede?

Tipp: Achten Sie auf «K» und «a», die Verbindung «fi» und den Gesamteindruck des Schriftbilds. Mir persönlich erscheint sie etwas leichter, ausgeglichener, weniger behäbig – moderner.

Und welche Schriften sind denn jetzt angesagt?

Eindeutige Trends fürs nächste Jahr scheinen noch nicht festzustehen. Ich bin gespannt, ob die variablen Fonts Fuss fassen und zu mehr als Spielerei werden. Weiterhin aktuell sind unter anderem extralaute, kräftige Schriften; minimalistische Sans-Serif-Schriften; Handschriften und Serifenschriften mit hohem Kontrast.

Von oben nach unten:

Und wenn Sie sich im Schriftendschungel nicht mehr zurechtfinden: Einen inspirierenden Überblick über ihre Lieblingsschriften bieten verschiedene Designer auf www.page-online.de

Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig. Mit bewusster Wahl der Schrift und dem Ausbrechen aus Gewohntem wird die Typolandschaft bunter!

 

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Regula Reufer

Typografische Gestalterin

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