Vom Deppenapostroph und anderen sprachlichen Unvollkommenheiten
Rechtschreibfehler korrigieren gehört in unserem Korrektorat zum Alltag. Wir führen zwar keine Statistiken, aber würden wir das tun, würden einige typische Schnitzer regelmässig obenaus schwingen. Fünf klassischen Fehlern gehe ich in diesem Blogbeitrag auf die Spur.
1) Herzlich Willkommen!
Es steht auf Einladungskarten, an Dorfeinfahrten, auf Empfangstafeln vor Restaurants und Läden: «Herzlich Willkommen». So schön diese ausgedrückte Haltung ist, in gefühlt 90 Prozent der Fälle ist sie falsch geschrieben. Die Rechtschreibung lässt hier keinen Spielraum: «willkommen» ist ein Adjektiv, und Adjektive schreiben wir klein.
Nun kann natürlich auch der Fall auftreten, dass ein Adjektiv die Funktion eines Nomens erfüllt («das Schönere wählen», «etwas Genaueres sagen»). In unserer Fügung müsste sich der erste Teil dann aber diesem substantivierten Adjektiv anpassen, indem der unbestimmte Artikel «ein» vorangestellt wird: «ein herzliches Willkommen».
Richtig ist: Herzlich willkommen!
2) Frau Huber’s Geburtstag
Der Kleinbuchstabe «s» spielt im Deutschen gleich mehrfach eine wichtige grammatikalische Rolle:
- Numerus: Als Plural-S zeigt es die Mehrzahlform bestimmter Wörter an («zu viele Autos», «zwei Jobs»).
- Kasus: Als Genitiv-S zeigt es einen grammatikalischen Fall an, maskuline und neutrale Nomen enden im Genitiv mit einem «s» («das Erbe des Vaters», «die Fassade des Hauses»).
- Kompositum: Als Fugen-S verbindet es in Zusammenschreibungen die Wörter miteinander («Eingangstür», «Ausdrucksstärke»).
Ein Apostroph wird in all diesen Fällen nicht gesetzt. Ausnahme: der Genitiv von Personen-, Firmen- oder Ortsnamen, die mit «s» oder «z» enden, z.B. «Jonas’ Fahrrad», «Siemens’ Personalabteilung», «Graz’ Opernhaus». Der Apostroph hat hier und in allen anderen Anwendungen aber eine andere Funktion. Er deutet auf eine Auslassung von einem oder mehreren Buchstaben hin («schön wäre es» -> «schön wär’s»; «Mönchengladbach» -> «M’gladbach»).
Übrigens: Für Apostrophe, die wie bei Frau Huber’s Geburtstag fälschlicherweise für die Kennzeichnung von Genitiven geschrieben werden oder ein Plural-S abgrenzen («alle DVD’s zum Sonderpreis»), hat sich in der Umgangssprache ein etwas derber Begriff eingebürgert: Deppenapostroph.
Richtig ist: Frau Hubers Geburtstag.
3) Anfangs Jahr
Die Unterscheidung des Substantivs «Anfang» vom Adverb «anfangs» bereitet vielen Mühe.
- «Anfang» ist ein Nomen, wird grossgeschrieben, bedeutet «zu Beginn von etwas». Das Wort begleitet eine Zeitangabe und grenzt diese weiter ein. Es leitet entweder einen Genitiv ein («Anfang des Monats», «der Anfang eines Prozesses») oder steht in einer ungebeugten Wendung («Anfang Oktober»).
- «anfangs» ist ein Adverb, wird kleingeschrieben, bedeutet «zuerst, im Anfang» und kann mit «anfänglich» ersetzt werden («das bereitete ihm anfangs Mühe»). Der Gebrauch als Präposition («anfangs des Jahres», «anfangs Jahr») gilt als nicht standardsprachlich.
Richtig ist: Anfang Jahr.
4) Meine liebsten Hobbies
Baby, Body, Hobby, Lady, Lobby, Party, Story – diese Wörter haben gemeinsam, dass sie alle mit «y» enden, aus dem Englischen entlehnt sind und mittlerweile Eingang in den deutschen Wortschatz gefunden haben. Die Angleichung bedeutet auch, dass die Schreibweise in der Deklination dem Deutschen angepasst wird. Werden im Englischen Endungen mit «-y» im Plural zu «-ies» («country» -> «countries»), hängen wir im Deutschen einfach das Plural-S an. So schreiben wir von Hobbys, Handys und Huskys.
Richtig ist: Meine liebsten Hobbys.
5) Schweizerfleisch aus biologischer Landwirtschaft
Auf einer Verpackung in der Charcuterie-Abteilung eines Grossverteilers bin ich auf folgenden Wortlaut aufmerksam geworden: «aus Schweizerfleisch». Nun muss man wissen, dass sich das Adjektiv «Schweizer» entweder auf das Land Schweiz bezieht oder aber auf eine Person, die in der Schweiz wohnt. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil im ersten Fall auseinandergeschrieben wird, im zweiten Fall zusammen.
- Fall 1: «Schweizer» als Ableitung vom Land Schweiz, z.B. «Fondue ist eine Schweizer Spezialität». Gemeint und ausgedrückt ist: «Fondue ist eine Spezialität aus der Schweiz». Weitere Beispiele: «Schweizer Berge», «Schweizer Meisterschaft».
- Fall 2: «Schweizer» als Ableitung von Bewohner/in der Schweiz, z.B.: «Er ist in der Schweizergarde». Gemeint und ausgedrückt ist: «Er ist in der Garde, die aus Schweizern besteht». Weitere Beispiele: «Die Schweizermacher» (Spielfilm), «Schweizervolk».
Zurück zum «Schweizerfleisch» auf der Verpackung. Sie werden nun sicher verstehen, warum ich sie nicht in den Einkaufswagen gelegt habe.
Richtig ist: Schweizer Fleisch aus biologischer Landwirtschaft.
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